Der geheime Brief by Maria Ernestam

Der geheime Brief by Maria Ernestam

Autor:Maria Ernestam
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2011-05-24T22:00:00+00:00


Kapitel 11

2007

Abermals war sie auf dem Weg. Sie saß im Auto und sah, wie vor dem Fenster das Leben vorüberglitt. Wenn man diese endlosen Kilometer von Wald Leben nennen konnte. Dieses spärlich besiedelte Schweden. So weit fort von Europa, trotz aller Versuche der Annäherung.

Annäherung, Nähe. Wie hätte man das sonst nennen sollen? In der Gewissheit, dass Hände und Lippen nicht lügen, war sie schlafen gegangen. Es war ein Tribut an das, was hätte sein können. Als brauche nichts erklärt oder entschuldigt zu werden.

Sie rief an, nachdem er sich nicht gemeldet hatte, und erzählte seinem Anrufbeantworter, sie sei wieder on the road. Auf dem Weg zu einem Neunzigjährigen, der am Ortsrand von Närke wohnte. Niklas hatte nicht zurückgerufen. Vielleicht glaubte er, zu weit gegangen zu sein, eine Frau zu küssen, die noch immer um ihren Mann trauerte. Eine andere Frau als die, mit der er zusammen war. Vielleicht glaubte er auch etwas anderes.

Eigentlich hätte sie sagen wollen, dass der Wunsch nach Wärme parallel zur Trauer existiere, damit er kein schlechtes Gewissen haben müsse. Mehr nicht. Niklas hatte etwas berührt, das vollständig getrennt und doch mit dem Universum verbunden war, das aus ihr und Mårten bestanden hatte.

Onkel Ivar klang hocherfreut, als sie ihn anrief. Er ermahnte sie, langsam zu fahren, und versprach, Käsekuchen aufzutischen. Er habe noch Beeren in der Tiefkühltruhe, eingekocht von der Nachbarin. Sie esse doch immer noch gern Käsekuchen? Ja, das sei der Fall. Und sie wolle über Oma und Opa sprechen und über ihn, Ivar. Und Papa. Das sei sicher gut so, ehe es zu spät wäre, meinte er. Aber das schließe den Käsekuchen ja nicht aus.

Als ihr Mobiltelefon klingelte, dachte sie wieder an Niklas, freute sich aber, als sie Peters Stimme hörte. Er fragte, wie es ihr gehe, wie es auf dem Lande so sei, ob sie zurechtkomme. Er hatte das Semester fast beendet und wollte wissen, ob sie auf Marstrand Weihnachten feiern würden.

»Willst du das denn?«

»Du vielleicht nicht?«

»Ich habe noch gar nicht an Weihnachten gedacht.«

Weihnachten war etwas, das überlebt werden musste. Bald war es so weit. In einigen Wochen.

»Wir haben da unten vor langer Zeit einmal Weihnachten gefeiert. Mir ist eingefallen, dass wir keinen Tannenbaum gekauft, sondern eine Lichterkette in einen Rosenstrauch gehängt haben.«

Weihnachten auf Marstrand? Peter hatte recht. Er war damals erst zehn gewesen. Warum hatten sie dort gefeiert? Keine Ahnung. Aber es war schön gewesen, das fiel ihr jetzt wieder ein.

»Aber wenn … kann ich jemanden mitbringen?«

»Wie meinst du das?«

Peter wieder acht, neun. Unbeschreiblich rührend, als er von Sofi erzählte, dem Mädchen, das er kennengelernt hatte. Sie war aus Umeå, studierte wie er Medizin, schnitt aber in allen Prüfungen besser ab. Nicht überrascht wirken, nicht zu viele Fragen stellen. Natürlich war Sofi willkommen, wenn sie auf Marstrand Weihnachten feierten.

Sie war dankbar dafür, dass Peter bei Mårtens Tod keine acht Jahre alt gewesen war. Dass er mit seinem Vater hatte aufwachsen dürfen, ihn als Vorbild und Maßstab gehabt hatte, dass er seine Kräfte mit ihm hatte messen können und ihm beim Joggen davonlief. Und sie selbst hatte sicher auch dazu beigetragen, dass ihr Sohn eine gewisse innere Sicherheit hatte.



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